Schaden für’s Leben?

Viele Kinder haben doch eine wie auch immer geartete schwerere Kindheit gehabt wie Armut oder Krieg – das ist halt das Leben, und da muss man sich eben mit Fleiss und Klugheit selbst herausholen …

Auf den ersten Blick klingt das logisch und nachvollziehbar. Näher betrachtet ist das jedoch zynisch. Der große Unterschied: Wenn Familien zusammenhalten, Liebe und Rückendeckung geben, so lassen sich selbst schlimmste Zeiten einigermaßen unbeschadet überstehen. Das Risiko in Suchtfamilien ist jedoch ist das Subtile: Es dreht sich zwangsläufig alles um die Sucht, und die Kinder stehen daneben. Nicht so wichtig, bis völlig unwichtig. Das geht soweit, dass sie Probleme haben werden, sich im Leben zu behaupten, denn es waren immer die anderen wichtiger als sie selbst. Der/die Süchtige hat alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und wenn sich dies über Jahre hinzieht, wird es schwer sein, den später erwachsenen Kindern das Gefühl der Wertlosigkeit wieder zu nehmen. Kommt noch Gewalt, Verrohung, Missbrauch oder sonstige psychiatrische Krankheiten hinzu, wird es umso schwerer. Und hier setzt die Verantwortung an: Wenn der/die einerseits ja Kranke genesen sollte, hat er meiner Meinung nach auch die Pflicht, die Schäden im Rahmen der Möglichkeiten wieder gut zumachen. Immerhin schaffen wir es als Gesellschaft, sexuellen Missbrauch zu ächten, oder Doping-Opfer der DDR-Diktatur zu entschädigen, dann sollte solch eine Forderung, die wahrscheinlich mindestens Hunderttausende, vielleicht gar Millionen Nachkommen betrifft, eine Selbstverständlichkeit darstellen.

Natürlich wird es extrem schwer sein, eine Grenze zu ziehen und natürlich, es lässt sich auch sicher nicht jede Ungerechtigkeit des Lebens ausgleichen, aber eines zumindest sollte nach dem Verursachungs-Prinzip gedeckt sein:Treten spätere Probleme auf, wie Aufbrechen von Traumen, oder wirtschaftliche Probleme wegen evtl. rückführbarer Krankheiten ( „geerbter“ Sucht, (genetisch bedingter) schwerer Depressionen, o.ä., dann sollte zunächst geprüft werden, ob eine „Wiedergutmachung“ erfolgte. Geschah dies nicht oder nur unwesentlich, könnte ggf. eine Art „Familien-Mediator“ eine vom Verursacher zu bezahlende Genesungs-Strategie erstellt werden, um einerseits Schaden vielleicht zu minimieren und andererseits auch die Gesellschaft etwas vor solch individuell zu verantwortenden Folgen zu bewahren. Es reicht doch schon, wenn Abhängige selbst ( bzw. deren eigene Krankheitsfolgen ) über die Solidargemeinschaft gedeckt sind.

Familien mit solchen Hintergründen zerbrechen meist. Keinesfalls sollte der nachfolgende Partner eines ehemaligen Süchtigen ein Mitspracherecht daran haben, ob überhaupt bzw. wieviel Geld für eine spätere Therapie zur Verfügung gestellt wird. Familien mit einem oder gar zwei abhängigen Partnern sollten unbedingt einer besonderen Überwachung unterliegen, möglicherweise würde gar eine schnelle (zumindest temporäre) Trennung hilfreich sein.

3 Gedanken zu „Schaden für’s Leben?

  1. Heyley

    Seh ich auch so. Wir (drei Geschwister) haben jahrelang bei unserer Mutter zusehenn müssen, wie die sich zugesoffen hat. Meistens Schnaps hat sie getrunken. Wodka. Immer wieder versteckten wir Flaschen, aber das hat eben nichts geholfen. Dann hat sie die Nerven verloren oder ist im Bett gelegen.
    Wenn sie nervös wurde, schlug sie. Oder brüllte rum. Immer mehr. Naja. Wir sind älter geworden und wie ich 16 wurde, sind wir alle gemeinsam ausgezogen. Sollte sie doch verrecken! Später hat mir das leid getan aber heute nicht mehr. Mein kleiner Bruder hat sich zehn Jahre später aus einem Fenster gesprungen und meine Schwester ist immer wieder krank. Depressionen. Deswegen is auch der Mann weg. Ich meine ihrer.
    Und ich kann mich selbst nicht leiden, weil ich jetzt auch trinke. Vielleicht geh ich in ein Kranknehaus, aber was nudtzt das alles. Auch wenn es jemand versteht, aber es ist schwer nur nach vorne zu schauen. Ich weiss nur das hilft. Aber alles wirkt so sinnlos, traume jede nacht von dem gekeife.

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  2. mira

    Das macht einen echt betroffen. Hatte mir nicht vorstellen können, dass das Leben mit alki-eltern so schlimm sein kann! Bleibt weiter dran, find ich ne echt dufte sache.
    mira

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